„Das Stadtteildenken wird leider nie aufhören“
Früherer Bürgermeister Alex Paust blickt zurück und beurteilt aktuelle Lage. Heute wird er 70 Jahre alt.
Alex Paust, der 15 Jahre lang (von 1984 bis 1999) ehrenamtlicher Bürgermeister der Stadt Arnsberg war, feiert heute seinen 70. Geburtstag. Aus diesem Anlass bat die Lokalredaktion unserer Zeitung den Voßwinkeler um ein Gespräch darüber, wie er nach seiner Niederlage bei der Bürgermeisterwahl im Jahr 1999 die dann folgenden 16 Jahre kommunalpolitische Entwicklung in Arnsberg beurteilt. Der Sozialdemokrat legte nach seiner BM-Abwahl seine Funktionen in der Partei bzw. Ratsfraktion nieder und bekleidet heute in der SPD kein Vorstandsamt mehr. Gleichwohl ist Alex Paust auch im Ruhestand absolut ein politischer Mensch geblieben, der keine Angst hat, seine persönliche Meinung zu sagen.
Wie erklären Sie sich Ihre damals deutliche Niederlage gegen Hans-Josef Vogel bei der ersten direkten Wahl eines hauptamtlichen Bürgermeisters im Jahr 1999?
Alex Paust: Es gibt drei wesentliche Gründe. 1. Offensichtlich hatte die CDU-Wahlkampagne „Wir brauchen ein neues Gesicht nach 15 Jahren Paust“ Wirkung gezeigt. 2. Hans-Josef Vogel, der im Rat bereits zum Stadtdirektor gewählt worden war, hatte bei den Wählern einen Amtsbonus als Leiter der Stadtverwaltung. 3. Die bereits 1999 erkennbar ersten Ansätze der späteren „Agendapolitik 2010“ von Bundeskanzler Schröder bescherten uns bei der Kommunalwahl einen heftigen Gegenwind.
Seit der Kommunalwahl 1999 befindet sich die SPD im Rat der Stadt Arnsberg in der Opposition. Woran liegt das?
Dies liegt auch an Personen. Ich hätte es für besser gefunden, wenn die SPD bei den Bürgermeisterwahlen auch mal einen Kandidaten von außerhalb geholt hätte.
Und die inhaltliche Arbeit der SPD-Fraktion in den vergangenen 16 Jahren?
Angesichts des hohen städtischen Schuldenstandes, der insbesondere in der Zeit der CDU-Alleinherrschaft im Rat entstand, kann die SPD heute den Wählern keine großen Versprechungen machen. Hinzukommt: Wenn die Bundes-SPD bei Umfragen bei 25 Prozent der Stimmen dümpelt, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, ist dies kein Zeichen dafür, dass auf kommunaler Ebene plötzlich ein großer politischer Stimmungsumschwung passiert.
Was hat sich gut, was hat sich schlecht entwickelt in der Stadt Arnsberg?
Ich freue mich, dass es zu einem ökologischen Umbau in der Stadt gekommen ist. Gute Beispiele dafür sind energetische Gebäudesanierungen, Nutzung regenerativer Energien, das fahrradfreundliche Arnsberg, neue Angebote im ÖPNV, verbesserte Infrastruktur wie erneuerte Kanalnetze sowie die Initiativen, die Seniorenprojekte fördern, damit Senioren weiterhin in ihrem Dorf wohnen und auch einkaufen können. Es ist auch sehr gut, dass viel für die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund getan wurde. Auch die jetzige Flüchtlingshilfe ist eine großartige Aktion.Zum Negativen: Meine Kritik an der städtischen Haushaltspolitik in den vergangenen Jahren habe ich ja schon geäußert. Bei der Wirtschaftsförderung gibt es klaren Nachholbedarf. Hier muss mehr getan werden, damit Betriebe in der Stadt bleiben bzw. neue Betriebe sich ansiedeln können. Und mit Verlaub: Die kleine Fußgänger- und Radfahrerbrücke, die zwischen Rathaus und Restaurant da Vinci entstehen soll, - ich nenne sie mal „Pizza-Brücke“, ist in meinen Augen absolut überflüssig.
War es eine richtige politische Entscheidung, eine Aufgabenverteilung zwischen Neheim, Hüsten und Alt-Arnsberg vorzunehmen, wodurch in Neheim das Einkaufen, in Hüsten Sport / Freizeit und in Alt-Arnsberg Kultur / Tourismus gefördert wird?
Sicherlich kann man das Spezielle auch in den einzelnen Stadtteilen fördern. Nur darf man nie vergessen, dass es auch in den anderen Ortsteilen Kulturträger bzw. Geschäfte zum Einkaufen geben soll. Eine reine Schwerpunktsetzung reicht nicht aus. Man muss das ganze Stadtgebiet in seine Betrachtungen einbeziehen, auch dann, wenn die städtischen Finanzmittel sehr begrenzt sind. Dem Ganzen gerecht zu werden, ist natürlich eine schwierige Aufgabe. Auch 40 Jahre nach der Kommunalreform gibt es immer noch ein ausgeprägtes Stadtteildenken. Und ich glaube, dass dies leider niemals aufhören wird
Mit Alt-BürgermeisterAlex Paust sprach WR-Redakteur Martin Schwarz.
Lebensweg: Vom Post-Mitarbeiter über den Gymnasiallehrer bis zum Bürgermeister
Alex Paust wurde am 19. Oktober 1945 in Voßwinkel geboren. Nach der Volksschule trat er in den Postdienst ein. Er bildete sich weiter, machte 1969 das Abitur und studierte Germanistik und Sozialwissenschaften. Er wurde Lehrer und unterrichtete vom Schuljahr 1977/78 bis 2009/10 am Hüstener Graf-Gottfried-Gymnasium, das später zum Franz-Stock-Gymnasium fusionierte.
Paust trat 1969 in die SPD ein. 1975 wurde er in den Rat der Stadt Arnsberg gewählt und wurde 1978 Fraktionsvorsitzender. 1984 wählte ihn der Rat zum ehrenamtlichen Bürgermeister der Stadt Arnsberg. Dieses Amt bekleidete er bis zu seiner Wahlniederlage bei der ersten direkten Wahl eines hauptamtlichen Bürgermeisters im Jahr 1999. Wichtige städtische Projekte im politischen Leben von Alex Paust waren die Neheimer Stadtsanierung und der Bau des Altstadttunnels in Alt-Arnsberg.
Am 8. Juni 2000 wurde Alex Paust für seine Verdienste um die Stadt der Ehrenring der Stadt Arnsberg verliehen. 2004 erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande. Arnsbergs rumänische Partnerstadt, Alba-Julia, verlieh Paust 1994 das Ehrenbürgerrecht.
Bericht vom 19.10.2015