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„Und dann war sie verschwunden...“
Ingrid und Hubert Giese feiern Diamantene Hochzeit. Das ist das Geheimnis ihrer Jahrzehnte langen Liebe
66 Jahre ist es her, da trafen sich Hubert und Ingrid zum allerersten Mal. Unter den Zelten. Nicht selten waren die Feste Schauplatz für ihre Liebesgeschichte. Heute sind die 84-Jährige und der 86-Jährige seit 60 Jahren verheiratet – das Ehepaar Giese feiert Diamantene Hochzeit.
Wie aus einem Märchenbuch klingt die Geschichte, die die Zwei erzählen, nachdem sie nun so viele Jahre verheiratet sind. „Wir haben nur ein paar Worte gewechselt, dann war sie verschwunden.“ Obwohl es Hubert gesundheitlich nicht mehr ganz so gut geht, kann er sich genau daran erinnern, wie er seine Frau zum ersten Mal sah. Auch heute, Jahrzehnte später, ergänzen sich die beiden, wissen genau, wie der andere tickt.
„Unter Zelten gefeiert“
Aber zurück ins Jahr ‘56: „Es war das erste Jägerfest nach dem Krieg in Neheim“, erzählt Hubert. Hier hatte er seine Ingrid das erste Mal getroffen, nicht lange. Er habe mit ihr gesprochen, weitergefeiert – „und plötzlich war sie verschwunden.“ Ingrid lacht. Auch sie erinnert sich noch zu gut ans erste Treffen.
Drei Jahre lang sahen die Zwei sich nicht wieder, vergaßen einander wahrscheinlich schon. Um dann, beim Neheimer Schützenfest (wo auch sonst?), wieder aufeinander zu treffen. „Unter Zelten haben wir uns zufällig wieder getroffen“, sagt Ingrid und schaut ihren Mann liebevoll an. Und dann wurde gefeiert. „Das konnte ich auch einfach richtig gut“, erzählt Ingrid lachend. Direkt sei sie bei all seinen Freunden und Kollegen aus Spielmannszug und Schützenverein super angekommen. Früher oder später hatten dann auch Ingrid und Hubert gemerkt, dass sie sich von früher ja schon kannten – und außerdem stimmte die Chemie sowieso direkt wieder. „Da hat er mich dann zum Schützenfest in Voßwinkel eingeladen, am nächsten Wochenende“, berichtet die 84-Jährige.
Dass sie komme, habe Hubert nie gedacht. „Doch dann stand sie da plötzlich. In einem Kleid...“ Noch heute ist er sprachlos, wenn er sich daran erinnert. Sie beide lächeln verträumt, schwelgend in der Erinnerung aus ihrer Jugend. Wie im Bilderbuch ging es weiter: Weil der Bus Ingrid in der späten Nacht nicht mehr zu ihrem Elternhaus brachte, übernachtete sie bei Hubert. Auch seine Schwestern, etwa in ihrem Alter, hätten sie total lieb aufgenommen. Am nächsten Tag ging es für Hubert früh los, das Dorf musste schließlich vom Spielmannszug geweckt werden. „Es war ja Vogelschießen!“ Und Ingrids Arbeit war dann für den einen Tag auch mal Nebensache – stattdessen wurde wieder gefeiert. „Auf Tischen und auf Bänken!“ Ja, das konnten sie.
Holzwurm und Schneiderin
„Danach sind wir dann zusammengeblieben.“ Lange sollte es bis zur Hochzeit dann auch nicht mehr dauern, schließlich waren die Zwei ja – für damalige Verhältnisse – schon fast überreif für die Ehe. 1961 folgte die Verlobung. Mit 24 und 26 Jahren schließlich heirateten die Turteltäubchen in Hüsten. Der 26. Oktober 1962: das Datum ihrer Ehe.
Die folgenden Jahrzehnte knüpfen an das Märchen an. Drei Kinder brachte Ingrid zur Welt, mittlerweile haben die Zwei auch Enkelkinder. „Wir bauten unser Haus um, direkt vor dem Elternhaus stand es“, erzählt Ingrid. Die Landwirtschaft von Huberts Vater übernahmen sie, beide nebenberuflich. „Ich war Schneiderin“, erklärt Ingrid. „Und er war schon immer ein Holzwurm“, sagt sie. Zuletzt habe er noch bei Trilux gearbeitet, zehn Jahre lang.
„Wir haben immer zusammengehalten, uns bei Streits immer vertragen“, sagt Hubert zum Geheimnis ihrer stabilen Liebe. „Ich hatte auch nie Angst, dass er mir wegläuft“, sagt Ingrid lachend. Die vielen Urlaube des Paares haben wohl auch dazu beigetragen, dass die Ehe stabil blieb und bis heute ist. „Früher sind wir immer mit einem alten Käfer in den Urlaub gefahren, häufig nach Österreich“, erinnert sich Ingrid. „Da saßen die Kinder zu dritt hinten. Ich weiß gar nicht, wie wir das Gepäck untergekriegt haben.“
Das Flugzeug brachte das Paar im Laufe ihres Lebens auch nach Teneriffa, Ibiza und Mallorca. In Europa hätten sie fast alles gesehen. „Als die Mauer fiel, reisten wir viel in die alte DDR, sahen uns Thüringen an, und Dresden“, erzählt Hubert. Und als das Auto nicht mehr so komfortabel war, buchten sie Busfahrten in die großen Städte Europas.
„Am Ende der Welt“
Ob noch irgendetwas auf ihrer Liste steht? „Nein, wir haben alles gesehen“, sagt Hubert. „Und mein Mann kann das auch gesundheitlich nicht mehr“, ergänzt seine Frau. Hier, in Voßwinkel, „am Ende der Welt“ sind die Zwei alt und glücklich geworden. Er löst gern Kreuzworträtsel und liest, sie macht noch viel Sport oder kümmert sich ums Haus, in dem sie seit 60 Jahren wohnen. Und sie lieben einander. Damals feiernd unter Zelten, heute nebeneinander sitzend in zwei großen Sesseln.
Bericht vom 26.10.2022